Bauernblatt 34/2024. Die Erzeugung Erneuerbarer Energien genießt in Schleswig-Holstein grundsätzlich hohe Zustimmungswerte. Wer jedoch in der Nähe eines Windparks lebt, kann sich durch die Anlagen in unterschiedlicher Weise beeinträchtigt fühlen. Um mehr Akzeptanz gegenüber der Stromerzeugung aus Wind zu schaffen, bietet ein kommunaler Energieversorger über die Windpark-Betreibergesellschaft des Windparks in Bokel, Kreis Rendsburg-Eckernförde, einen Bürgerstromtarif für die umliegenden Anwohner an.
"Beim Ausbau Regenerativer Energien müssen wir den Blick für die Bürgerinnen und Bürger beibehalten", betont Dr. Mario Wörner. Für den Geschäftsführer der Trave Erneuerbare Energien (EE) GmbH, eines Tochterunternehmens der Stadtwerke Lübeck und Stadtwerke Aachen, ist der Ausbau von Windenergie im Land grundsätzlich positiv belegt. "Die Ressourcen Kohle, Erdgas und Uran sind endlich und zudem mit Nebenwirkungen belegt. Vor dem Hintergrund nutzt man das, was die Natur zur Verfügung stellt", sagt Wörner.
Anwohner frühzeitig mitnehmen
Für ländliche Regionen bedeute der Ausbau volkswirtschaftlich positive Effekte wie Wertschöpfung, Gründungen, Kapitaleinsatz oder den Aufbau von Infrastruktur. Wichtig sei es jedoch, diesen Ausbau gemeinsam mit den Bürgern voranzubringen. „Wir haben ein ureigenstes Interesse daran, als Partner vor Ort gesehen zu werden“, unterstreicht Wörner.
Ansatz der Trave EE als Tochter kommunaler Unternehmen sei es nicht, einen Windpark zu bauen und diesen meistbietend zu veräußern. „Wir halten die Anlagen im Bestand und wollen diese möglichst lange, also 20 oder 25 Jahre, betreiben. Da möchte man sich auch nach mehreren Jahren noch in die Augen sehen können.“ So beginne das frühzeitige Mitnehmen und Einbinden von Gemeindevertretern und Bürgern bereits bei der Akquise.
Neben Beteiligungsformen wie dem Nachrangdarlehen oder einer Vergütung der betroffenen Gemeinde nach § 6 Erneuerbare-Energien-Gesetz in Höhe von 0,2 ct pro eingespeister Kilowattstunde will die Trave EE mit dem ermäßigten Stromtarif eine nach eigenen Angaben neue Form der Beteiligung etablieren: „Der Bürgerstromtarif ist ein Baustein der Partnerschaft vor Ort“, schildert Wörner.
Mit ihm profitierten nicht nur Grundstückseigentümer, auf deren Land die Anlagen gebaut werden, sondern auch andere Anwohner. „Oft liegt genau das auch im Interesse der Grundstückeigentümer selbst. Sie wollen etwas zurückgeben.“ Für den Bezug des Bürgerstromtarifs, der aus einer Subvention auf die Grundkosten und einen „konkurrenzfähigen“ Strompreis besteht sind rund 250 Haushalte in Bokel anhand ihrer Postleitzahl freigeschaltet.
„Es freut mich, als Projektleiter nicht nur den Windpark planen und bauen zu dürfen, sondern auch an der Entwicklung und Konzeption des Stromtarifs mitzuwirken. Als kommunaler Energieversorger stellen wir einerseits den Windpark als Erzeugungsanlage und anderseits die Strombelieferung unserer Standortgemeinde bereit, was zur Akzeptanz der Energiewende vor Ort führt“, erläutert Harmen Mehrdorf, Projektleiter Windenergie bei der Trave EE. Der Agrarwissenschaftler schildert die, wie er sagt, offene und transparente Beteiligung der Gemeinde Bokel seit Beginn der ersten Gespräche im Jahr 2016. Neben verschiedenen Formen einer Beteiligung sei es vor allem nötig, sachlich Informationen über geplante Projekte zu transportieren: „Das haben die Anwohner in Bokel auch gefordert. Wir sprechen insgesamt viel über Akzeptanz und Wahrnehmung.“ Das Angebot des Bürgerstromtarifs sei in der Gemeinde Bokel sehr positiv aufgenommen worden, die Beteiligung für die Anwohner direkt spürbar.
Mehr Wärmepumpen und E-Autos
„Vielen ist heute mit einem günstigeren Stromtarif geholfen“, hebt Mehrdorf hervor und weist auf den steigenden Umbau zu Wärmepumpen und die zunehmende Nutzung von E-Autos hin. So profitiere auch „der normale Stromabnehmer“, der sich nicht an einem Windpark beteiligen könne oder wolle. Der gewährte Rabatt werde aus den Umsätzen der Windpark-Betreibergesellschaft gegenfinanziert. „Wir sehen den Bürgerstromtarif als große Chance bei der langfristen Akzeptanzsteigerung“, erklärt Mehrdorf und verweist in diesem Zuge auch auf die Notwendigkeit des kommunalen Einvernehmens bei der Realisierung von Windparkprojekten. Jedes Einzelne habe dabei seinen eigenen Schlüssel zur Akzeptanz, da jede Kommune anders aufgestellt sei – was ihre örtlichen Gegebenheiten, aber auch die Zusammensetzung der Gemeindevertretung anbelange. „Natürlich muss ein Windpark auch rentabel bleiben“, fügt Mario Wörner hinzu. „Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen und wollen die Energiewende. Wir wollen Erneuerbaren Strom erzeugen und Anlagen betreiben – und das möglichst erfolgreich. Auch für Arbeitsplätze und Wertschöpfung im Land.“
Julian Haase